Voller Elan startest Du Dein Projekt. Das Feuer der Begeisterung brennt lichterloh in Dir, Du genießt die angenehme Anspannung des Neuen und Unbekannten, die sich in jeder Zelle Deines Körpers ausbreitet. Endlich, denkst Du, endlich komme ich ins Handeln, endlich verändere ich etwas in meinem Leben. Du willst Dich schon so lange weiterentwickeln, willst den nächsten Schritt gehen, Deinem Leben eine neue Richtung geben.
Eustress – Du bist Feuer und Flamme!
Du bist so stolz auf Dich, dass Du den Mut aufbringen konntest, wirklich damit zu beginnen, etwas zu verändern. Du fühlst Dich unter Strom, energiegeladen, dabei jedoch unbeschwert – die Arbeit an Deinem Projekt, die Arbeit an Dir selbst belastet Dich nicht, sie treibt Dich an. Willkommen im sogenannten Eustress!
Dein Umfeld: Die Donnergötter an Deinem Visionen-Olymp
Und so werkelst Du munter im Hier und Jetzt an Deiner glorreichen Zukunftsvision, bastelst Dir in liebevoller Handarbeit Deinen eigenen Lebensweg, der Dich dorthin bringen soll, wo Du Dich schon so lange hinwünschst. Und ja, über Dein emsiges „Sachen machen, Dinge tun“ erzielst Du erste Resultate – in Deinem Denken, in Deinem Fühlen, in Deinem Handeln.
Doch langsam, ganz langsam, schleichen sich dunkle Wolken an Deinem farbenprächtigen Visionenhimmel heran, kommen näher und näher, zunächst noch von Dir unbemerkt, doch dann – ganz plötzlich – da bricht es über Dich herein: Das tosende, brausende Gewitter der Anderen, der Kritiker, der „Ja, aber“-Menschen. Adieu, du schöner Eustress und willkommen Disstress.
Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“
Die Anderen, Dein Umfeld, sie überschwemmen Dich mit gut gemeinten Fragen und Ratschlägen zu Deinem Vorhaben, zu Deinem Leben, zu Deinem Mensch-Sein. Sie wittern die Veränderung, sehen den Wandel in Deinem Leben, in Deiner Persönlichkeit und reagieren evolutionsbiologisch völlig angemessen mit Sorgen, Ängsten und Zweifeln. Diese verpacken Deine Kritiker jedoch meist in hübsches, buntes Geschenkpapier, setzen ein nettes Schleifchen obendrauf und servieren Dir ihre gut gemeinten Ratschläge, Tipps und Verbesserungsideen garniert mit der Saat der Selbstzweifel, die sie – meist völlig unbeabsichtigt – in Dein kleines Glück streuen.
Bitte bleib im Hamsterrad
Da ist die besorgte Mutter, die voller Sorge ist, weil Du einfach so Deinen sicheren Job kündigen und etwas völlig Neues beginnen möchtest. Da ist der beste Freund, der Dich liebevoll zur Seite nimmt und Dich fragt, ob wirklich alles in Ordnung sei, er erkenne Dich ja kaum noch wieder. Da ist Dein Partner, der Dir in einem Gespräch seine Ängste kundtut, weil er merkt, dass ihr euch irgendwie auseinander entwickelt. Da sind lauter Andere, die das tun, was sie immer tun und nun wirklich ernsthaft verunsichert sind, dass Du Dich einfach so aus dem Hamsterrad hinaus stibitzen möchtest.
Die Disstress-Symphonie, erster Akt: Wie Du es Allen Recht machst
Nun passiert in der Regel folgendes: Je enger Deine eigene Beziehung zu dem Menschen aus Deinem Umfeld ist, der Dir seine eigenen Sorgen, Ängste, Zweifel und Unsicherheiten meist ungefragt vor den Latz knallt, desto mehr neigst Du dazu, Dich selbst und Dein aktuelles Handeln zu hinterfragen.
- Was mache ich da eigentlich? Ist das wirklich richtig so?
- Hat meine Mama vielleicht Recht? Stimmt das, was mein bester Freund sagt?
- Habe ich mich wirklich so verändert? Ist das gut? Ist das schlecht?
- Verliere ich womöglich meinen Partner, wenn ich weitermache? Denke, fühle und handle ich falsch?
Willkommen in der Symphonie des Selbstzweifels, gespielt vom Orchester Deines Umfeldes. Ein disharmonisches Gedankenkonzert und Du sitzt in der ersten Reihe. Das verursacht Disstress, das belastet Dich, das entzieht Dir Stück für Stück Deine Kraft. Denn Du möchtest in diesem Moment am liebsten alles: Deinen eigenen Lebensweg weiter verfolgen, Deine Eltern stolz machen, Deine Freunde nicht enttäuschen, Deinen Partner nicht verlieren. Du willst es allen Recht machen und versuchst nun die Ratschläge und Kritiken aufzunehmen, Tipps und Ideen der anderen umzusetzen.
Dabei stößt Du immer wieder auf Hindernisse, irgendwie passen die Puzzleteile alle nicht zusammen. Du stehst vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe und das erzeugt nun ein von Dir als unangenehm wahrgenommenen STRESS. Einen Energieräuber, der Dein Feuer zu ersticken droht, der mit tiefschwarzer Farbe hässliche Schmierereien auf das gerade noch so farbenprächtig schillernde Gemälde Deiner Zukunft zeichnet.
Die eierlegende Wollmilchsau oder den heiligen Gral hab ich nie gefunden
STOP. Zuallererst: Dein Vorhaben, es allen Recht zu machen, inklusive Deiner Selbst, wird NICHT gelingen. Ganz einfach. Zu viele gegensätzliche und damit sich gegenseitig ausschließende Bedingungen an Dich und Deinen Lebensweg. Klappt nicht.
Glaub mir das bitte, ich habe es oft genug in meinem Leben versucht. Letztendlich bin ich jedes Mal gescheitert. Meist zu meinem eigenen Leidwesen, sodass alle anderen noch minimal zufrieden sein konnten. Dachte ich. Waren sie aber nicht. Es gab auch dann noch Stimmen, die etwas besser wussten. Die dann trotzdem noch etwas anderes von mir erwartet haben, die einen schrien nach mehr Durchsetzungsvermögen meinerseits, die anderen wollten, dass ich endlich mal verstehe, was mein Verhalten für Person XY bedeutete, ich müsse mal ein wenig nachsichtiger sein. Es hört nicht auf, egal wie sehr Du es versuchst.
Wie bringst Du nun Harmonie dorthin, wo die Disharmonie wütet? Wie kannst Du den Druck, den Stress, die Belastung jetzt wieder rausnehmen, ohne alle anderen vor den Kopf zu stoßen oder Deine Träume und Ziele aufzugeben?
Keine falschen Versprechungen
Ich kann Dir keine Harmonie versprechen. Aber ich kann Dir eine Strategie anbieten, einen „Fahrplan“ mit dem Du in Zukunft Deinen Kritikern, Deinem Umfeld in solchen Situationen begegnen kannst. Ich weiß nicht, welche Stationen Du mit diesem Fahrplan erreichen wirst.
Ich kann Dir nur sagen, dass ich auf diese Weise zumindest bei den Stationen Stress, Belastung und Druck nicht mehr jedes Mal voller Naivität auf den „Bitte anhalten, ich möchte hier aussteigen!“-Knopf einhämmere und mich dann wundere, dass ich nach und nach keine Energie mehr für mich selbst und das, was mir wirklich wichtig ist, übrig habe. Vielleicht kannst auch Du mit diesem Fahrplan eine neue Route erkunden und langfristig den Raum für Stress durch die Stimmen der Anderen in Deinem Leben reduzieren.
Immer langsam mit den jungen Pferden
Überprüfe dazu zunächst immer erst den Realitätsgehalt dessen, was der andere Dir zurückmeldet. Das gelingt am besten, indem Du Dir Zeit zum Nachdenken nimmst. Diese Zeit darfst Du ruhig sehr direkt einfordern, indem Du dem Anderen zum Beispiel die Rückmeldung gibst: „Ich habe gehört, was du gesagt hast. Und ich weiß, dass du es sicher gut meinst. Bitte gib mir etwas Zeit, um darüber nachzudenken.“
So fühlt sich Dein Gegenüber in seiner Einschätzung Deines Verhaltens wahrgenommen und akzeptiert. Gleichzeitig bietest Du keine Angriffsfläche für weitere Ratschläge oder Anfeindungen und gibst Deinem Geist die Möglichkeit, das Gehörte zunächst zu verarbeiten. Die Zeit, die Du so gewonnen hast, füllst Du mit qualitativ hochwertigen Fragen an Dich selbst:
- Stimmt das, was mir dieser Mensch zurück gemeldet hat? Ist ein wahrer Kern in der Aussage enthalten?
- Kann ich etwas aus diesem Feedback für mich mitnehmen? Was kann ich lernen?
- Gibt es etwas, was ich verändern könnte, sodass es nach wie vor stimmig für mich ist?
Die Macht des Perspektivwechsels
Versuche Dich in die Lage des Anderen hineinzuversetzen. Tauche ein in seine Perspektive, seine Erlebenswelt, seine Gefühle und seine Grundannahmen über das Leben, wie es sein sollte. Verstehe das WARUM der geäußerten Kritik, im Idealfall kannst Du Dein Gegenüber tatsächlich auch nach den Gründen für seine Kritik fragen. Wenn es noch besser läuft – und das sollte speziell bei Eltern, engen Freunden und dem eigenen Partner möglich sein, ist es aber erfahrungsgemäß auch nicht immer – dann bitte den Anderen um einen konstruktiven Vorschlag, wie Du an dem von ihm kritisierten Verhalten arbeiten kannst.
Möglicherweise erhältst Du einen wirklich guten Ratschlag, der Dich langfristig vorwärts bringt. Möglicherweise möchte Dich diese Person allerdings auch nur „klein“ machen – sollte das der Fall sein, mache Dir noch einmal bewusst, dass auch sein Verhalten gesteuert ist von eigenen Denk-, Fühl- und Handlungsmustern, die ihm vielleicht nicht einmal vollständig bewusst sind.
Krieg im Innen oder Außen erzeugt Stress und verhindert Deinen Frieden
Wenn es Dir nun gelungen ist zu verstehen, warum der Andere dieses oder jenes gesagt hat, dann gibt es noch eine Kleinigkeit, die Du nun definitiv NICHT tun solltest: Überhöhe Dich nicht selbst und verurteile andere Menschen nicht für das, was sie denken, fühlen und tun. Wenn Du in Gedankenmuster wie „Ich bin eh besser als der“ oder „Ich weiß es sowieso besser“ verfällst, dann verschließt Du innerlich Deine Tür zur Wertschätzung der Vielfalt von Lebensperspektiven.
Akzeptiere eure Unterschiedlichkeit, nutze ihn aber nicht, um Dich selbst besser zu machen oder besser zu fühlen. Schlage nicht mit den gleichen Waffen zurück, verurteile Menschen nicht auf Basis der Veränderungen, Verhaltensweisen oder Sichtweisen, die Du an ihnen wahrnimmst. Denn zurückschlagen bedeutet, Waffen zu benutzen. Waffen bedeuten Krieg und Krieg kann und wird nie der Weg sein, der langfristig inneren Frieden, innere Ruhe und Entspannung in Dir hervorbringt.
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Pia Schäfer
Ich bin Pia, immer schon fasziniert vom Mensch-Sein mit all seinen Facetten des Denkens, Fühlens und Handelns. Beruflich arbeite ich mit Menschen aus dem Autismus-Spektrum zusammen und begegne tagtäglich der mal wunderbaren, mal faszinierenden, mal überwältigenden Vielfalt von Leben und Erleben.
Bei all dem eigenen Wissen, dass ich mir in den letzten Jahren angeeignet habe, stelle ich auch heute noch immer wieder fest: Eigentlich weiß ich gar nichts. Ich glaube aus eigener Erfahrung daran, dass wir uns glücklich denken können und lebe mein Ändern – jeden Tag. Für tägliche Inspiration freue ich mich, wenn Du mir auf Instagram folgst. Hab es gut!