Zunächst einmal stellt sich die Frage, woran wir unseren Erfolg überhaupt messen. In unserem Kulturkreis üblicher Weise z.B. am Einkommen, Verkaufszahlen, Titeln, Veröffentlichungen, Preisverleihungen. Die Krux daran ist, dass all dies nur bedingt durch uns zu beeinflussen ist.
Die Zeit, in der wir leben, ist Chance und Gefahr gleichermaßen. Weil es nie zuvor für Menschen einerseits so leicht war, Visionen zu folgen, Träume zu verwirklichen, sich immer wieder neu zu definieren und Talente leben zu können. Andererseits suggerieren uns viele neuen Marketing- und Selbstoptimierungstheorien, dass alles für jeden und immer möglich ist.
Angetrieben wird dieses Denken in grenzenlosen Möglichkeiten durch das Bestreben der Unternehmen, immer mehr aus den Produkten und Menschen herauszuholen.
Erfolgsorientierung
Schaut man von außen auf diese permanente Erfolgsorientierung fällt auf, dass es immer neue Bedingungen zu erfüllen gibt. Als Führungskraft z.B. kann man ungefähr ausrechnen, wie hoch das neue Einkommen oder welches der neue Wagen beim nächsten Karriereschritt sein wird. Wie viele Überstunden dafür erwartet werden und ob die Kunden das Produkt der Firma auch in fünf Jahren noch kaufen, ist nicht vorhersagbar.
Egal, wo wir arbeiten, wartet eine nach oben offene Erfolgsskala auf uns. Haben wir 100 Bücher oder Fahrräder oder Seifen verkauft, wollen wir 150 verkaufen. Haben wir dies erreicht, sehen wir, dass andere 200 verkaufen und sind wieder unzufrieden. Ähnlich ist es im privaten Umfeld. Haben wir 5 Kilo abgenommen könnten es auch 8 sein und dann ist die Haut zu schlaff usw.
Erfolg, der an Bedingungen hängt, kann nicht langfristig glücklich machen, weil sich die Bedingungen ständig ändern.
Wenn Erfolg süchtig macht
Hinzu kommt, dass Belohnung, also ein glückliches Erfolgsgefühl im Gehirn, durch Dopamin entsteht. Dieser Botenstoff nutzt sich ab. Genauso, wie der Lieblingskuchen beim achten Mal nicht mehr so genial schmeckt wie anfangs, ist es mit dem Einkommen, mit Titeln oder Verkaufszahlen. Wir brauchen mehr davon, um uns genauso glücklich zu fühlen wie vorher.
Ein weiterer Aspekt ist unser unstillbarer Hunger nach Wertschätzung. Kaum jemand von uns ist mit ausreichend positiver Anerkennung großgeworden. Was wir mit ins Leben nehmen, ist eine Art Topf, der ein Loch hat. Wir suchen unbewusst fortlaufend nach der Bestätigung, richtig zu sein, nach Aufmerksamkeit und Anerkennung. Bekommen wir sie durch unsere Freunde, Familie oder den Beruf, ist es nie genug. Weil sie wie gewonnen, so zerronnen ist. Da nur wir selbst den Hunger stillen könnten.
Erfolg, der auf äußeren Ereignissen beruht, treibt uns gnadenlos an, mehr davon zu haben.
Erfolgreich = glücklich?
Die Forschung sagt nun erfreulicherweise auch, dass glückliche Menschen erfolgreicher sind. Weil sie aus anderen Kraftquellen schöpfen. Nämlich einem leistungsfähigeren Gehirn und der Unabhängigkeit von äußeren Glücksfaktoren. Sie sind ja schon glücklich. Dieser doppelte Vorteil führt zu sogenannten positiven Kreisläufen.
Ich tue das, was ich tue, nicht nur, um durch den damit verbundenen Erfolg glücklich zu werden. Im Umkehrschluss würde ich durch das Ausbleiben von Erfolg eben leider auch unglücklich werden. Ein glückliches Gehirn hat eine breitere Perspektive, sieht eher Lösungen, ist kreativer und leistungsfähiger.
Wenn der Erfolg, den wir haben, uns nicht glücklich macht, würde auch der, den wir erstreben, dies nicht tun.
Stress durch Streben nach Erfolg
Ich selbst arbeite als Referentin und Autorin in einem Markt, der schwer berechenbar ist. Wann und wie oft buchen Veranstalter, wann zahlen sie? Meine Strategie war, mit immer höherem Marketingaufwand ein Unternehmen aufzubauen, das ich einmal weitergeben kann, das „von allein“ läuft, in dem ein großes Team mit mir arbeitet und ein Kollegennetzwerk, das sich gegenseitig unterstützt. Ich habe über die Jahre immer wieder einmal gesehen, dass meine Hoffnungen nicht wie gedacht eintraten. Wollte es nicht wahrhaben und habe noch mehr investiert.
Ich hatte meine Ziele an den falschen, weil nicht beeinflussbaren, Kriterien ausgerichtet und meine Strategie ging nicht auf. Sich dies einzugestehen, war schmerzlich. Weil das Ego beleidigt ist, ich mir Vorwürfe machte und natürlich auch selbst sehr leid tat.
Besonders schwer machen wir es uns selbst in solchen Augenblicken weil wir die Situation und uns noch dazu negativ bewerten: Gedanken wie „nicht geschafft“, „peinlich“, „versagt“ usw. machen zusätzlich Stress. Doch in dem Augenblick, wo ich eine neue Bewertung vornahm, nämlich die, mir durch eine Neuorganisation selbst das Leben leichter zu machen, wurde alles anders.
Wenn wir uns das Leben selbst leichter machen, wird es das auch.
Erfolg selbst definieren
Alles ist eine Frage der Bewertung. Die nur in unserem Kopf stattfindet. Ob ich wertschätze, was ich erreicht habe, ob ich aufhöre, mich zu meinen Ungunsten zu vergleichen, ob ich angenehm oder unangenehm über mich denke: Ich entscheide darüber. Gedanken bringen oder rauben Energie und Wohlbefinden und am Ende sogar Gesundheit.
Mit der Umorganisation meiner Arbeit einher ging die Frage: Was sind von jetzt an meine Ziele und Erfolgskriterien? Es wäre ja absurd, im gleichen Wertesystem – nur anders organisiert -, weiter zu machen. Mein neues Credo, das mich von nun an begleitet, lautet deshalb: Freude ist mein Erfolgskriterium. Ich hatte schon immer Freude an meiner Arbeit. Doch sie war nicht mein Erfolgskriterium. Ein feiner, aber wesentlicher Unterschied.
Das Schöne daran: Freude macht stets glücklich und baut Stress ab. Freude kann ich selbst beeinflussen: Durch meine Wahl, was und wie ich es tue. Durch meine Haltung und meine Selbstfürsorge, um körperlich und geistig in einem Zustand zu sein, der Freude leichter möglich macht.
Mache Dein Glück – wenn überhaupt – von etwas abhängig, dass Du beeinflussen kannst.
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Dr. Ilona Bürgel.
Ich bin eine der ersten Vertreter der Positiven Psychologie im deutschsprachigen Raum und Expertin für körperliches und geistiges Wohlbefinden, promovierte Diplom Psychologin, Autorin und Referentin. Wie ein roter Faden zieht sich die Einladung zu einem Perspektivwechsel durch meine Arbeit – weg von der Fixierung auf äußere Bedingungen in unserer sich ständig ändernden Welt, hin zum guten Umgang mit sich selbst.
Ich zeige ganz praktische Wege, wie es auf Dauer möglich ist, Leistung und Wohlbefinden miteinander zu verbinden.