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Stressfrei kommunizieren

Der ganz normale Besprechungs-Wahnsinn

Eineinhalb Stunden dauert die Besprechung nun schon. Du hast das Gefühl, dass wieder einmal nichts erreicht wurde, sondern Du eigentlich nur sinnlos Deine Zeit dort abgesessen hast. Gleich zu Beginn des Termins hatte Kollege L. anhand einer umfangreichen PowerPoint-Präsentation die Fakten dargelegt, die nach seiner Analyse Ursache für die derzeitigen Schwierigkeiten im Projekt sind. Mit immer komplizierteren Worten hatte er erklärt, wie das alles wohl zusammenhängt.

Dir sind dabei vor Langeweile fast die Augen zugefallen. Dieser monotone Tonfall, diese nicht enden wollende Menge an Informationen. Und dann hat auch noch Kollegin B. angefangen, genauso kompliziert formulierte Fragen zu stellen, da ihrer Meinung nach wichtige Punkte nicht berücksichtigt waren. Herr L. begann dann, diese Fragen ausschweifend mit langen Schachtelsätzen und bis ins kleinste Detail zu beantworten.

Du hast irgendwie gar nichts mehr kapiert. Ein großes Fragezeichen stand ganz deutlich auf Deiner Stirn. Längst hatten die beiden auch schon alle anderen Besprechungsteilnehmer abgehängt, als plötzlich Kollege M. mit der Faust auf den Tisch schlug und rief „Jetzt ist aber mal genug mit der ganzen Rederei! Lasst uns endlich anfangen, etwas zu tun!“

Kollegin E., die sich netterweise um den Kaffee und ein paar Kekse gekümmert hatte (so musstest Du wenigstens nicht verhungern), zuckte richtig zusammen und rutschte etwas tiefer in ihren Stuhl. Sie mag es gar nicht, wenn es laut wird. Und Herr T.? Der wirkte schon seit mindestens einer halben Stunde völlig abwesend, schien in seine eigenen Gedanken vertieft zu sein. Du hast noch versucht, die Lage mit einem kleinen Witz zu retten, erntest von Kollege L. und Kollegin B. aber nur vernichtende Blicke. Schließlich geht es hier um ein ernstes Problem!

Kollege M. hatte währenddessen den Raum verlassen. Er wollte seine Zeit nicht mehr weiter verschwenden. Und Du hast jetzt definitiv auch keinen Bock mehr. Sollen die doch alleine schauen, wie es in dem Projekt weitergeht. Du hättest da durchaus ein paar coole Ideen gehabt. Aber die wollte ja niemand hören…

Wo liegt eigentlich das Problem?

Solche und ähnliche Besprechungen habe ich in meinem bisherigen Berufsleben viele, ja sogar sehr viele, miterlebt. Genervte Besprechungsteilnehmer, keine Ergebnisse, verschwendete Zeit. Aber was läuft hier schief? Warum gelingt es nicht, ein konstruktives Meeting abzuhalten, bei dem jeder seinen Beitrag leisten kann und am Ende ein klarer Plan gemäß „Wer macht was bis wann?“ steht?

Warum schaukeln sich manche Menschen gegenseitig hoch bis in die Aggressivität? Warum verstummen andere? Die Antwort ist genauso einfach wie komplex. Sie lautet: Weil Menschen unterschiedlich sind und diese Unterschiede nicht beachtet werden!

Menschen kommunizieren unterschiedlich und werden durch verschiedene Dinge motiviert. Diese Unterschiede treten stressbedingt noch mehr in den Vordergrund und sorgen zum Teil sogar dafür, dass bei anderen zusätzlich Stress entsteht. Aber jetzt erstmal langsam.

Jeder hat eine „Lieblingssprache“

Jeder Mensch hat so etwas wie eine „Lieblingssprache“, vergleichbar mit seiner Muttersprache. Diese beherrscht er aus dem Effeff. Selbst wenn er nachts unvermittelt geweckt würde, wäre er sofort in der Lage, in dieser Sprache zu kommunizieren. Weitere Sprachen kennt und beherrscht er zwar zum Teil auch, aber hier kostet es ihn mal mehr, mal weniger Energie, diese zu sprechen.

Manche Menschen bevorzugen eine rein sachliche Art der Gespächsführung. Zahlen, Daten und Fakten stehen im Vordergrund ihrer Wahrnehmung, logisches Denken bestimmt ihre Kommunikation. So wie bei Kollege L. aus dem Besprechungsbeispiel.

Andere sind von der eher kurz angebundenen Sorte. Klare, knappe Aussagen, Aufforderungen, die aufs Tun abzielen, sind ihre Ausdrucksform. Lange Diskussionen, „Vielleicht“, „Könntet“, „Eventuell“ – das ist nichts für sie. Es muss etwas passieren. Und das möglichst schnell. Herr M. aus der Besprechung gehört dazu.

Menschen wie Frau B. wiederum stehen für klare Werte. Sie haben zu den meisten Themen eine feste Meinung. Sie hinterfragen alles, um zu überprüfen, ob es zu ihren Wertvorstellungen und Überzeugungen passt. Qualität ist ihnen wichtig, weshalb die Präsentation von Kollege L. auch genau durchleuchtet wird.

Und jetzt kommst Du daher! Jemand, der gerne Spaß im Leben hat. Der die Dinge mit Humor und spielerischer Leichtigkeit angeht. Auch die Arbeit. Du, die immer einen flapsigen Spruch auf den Lippen hat, die vieles mit einem Augenzwinkern kommentiert und auch mal ungewöhnliche Wege geht. Zahlen, Daten und Fakten langweilen Dich zu Tode. Du magst viel lieber kreatives Brainstorming und einen lebhaften Austausch.

Erkennen der Unterschiede

Du merkst schon, so richtig scheint das nicht zusammenzupassen. Nur: Den wenigsten sind diese Unterschiede bewusst! Sie gehen automatisch davon aus, dass ihre „Lieblingssprache“ auch von allen anderen gesprochen und verstanden wird. Der erste Schritt in Richtung einer entspannten, stressfreien Kommunikation führt Dich somit ins Beobachten, ins Erkennen der Unterschiede.

  • Beobachte Dich einmal selber. Wie redest Du? Welche Wörter verwendest Du? Wie ist Dein Tonfall? Wie sind Deine Mimik, Gestik und Körperhaltung?
  • Beobachte Deine Gesprächspartner. Wie sprechen diese? Benutzen sie viele Worte? Oder eher wenige? Stellen sie Fragen? Oder geben sie eher Anweisungen? Ist ihr Tonfall monoton oder lebendig? Unterstützen sie das Gesagte mit Gesten? Oder verhalten sie sich eher ruhig?
  • Beobachte Deine Reaktionen auf das (Sprech-)Verhalten Deiner Gesprächspartner. Wann erlebst Du Dich automatisch auf einer Wellenlänge mit Deinem Gegenüber? Welches Verhalten führt bei Dir zu Widerstand oder Ablehnung? Wie verhältst Du Dich dann?

Hier beginnt, Stress zu entstehen! Merke: Über einen längeren Zeitraum nicht in seiner „Muttersprache“ angesprochen zu werden oder sprechen zu dürfen, führt zu Stress.

lieblingssprache

Ich zum Beispiel erzähle gerne lebhaft, mit weit ausholenden Gesten. Generell kann ich mich nur schlecht ruhig halten. Ich bin gerne in Bewegung. Humor, auch Wortspielereien, haben bei mir einen hohen Stellenwert. Flapsige Bemerkungen wirst Du von mir recht häufig hören.

Auch ernste Themen bespreche ich gerne mit einem Augenzwinkern. Das stößt nicht immer auf Gegenliebe! Ich sei zu laut, zu hektisch, zu nah, mir würde der nötige Ernst fehlen. Alles Wertungen, die Menschen vornehmen, die eine andere Art der Kommunikation bevorzugen.

Ich bin okay und Du bist genauso okay!

Ich habe im vorigen Abschnitt zwei Schlüsselworte verwendet: Beobachten und Werten. Sobald Du beginnst, Menschen neutral zu beobachten und ihr Verhalten nicht zu werten, bist Du schon einen großen Schritt weiter auf Deinem Weg zur entspannten Kommunikation!

Wahrnehmen, dass andere anders ticken als Du. Und dieses Anderssein nicht als falsch oder komisch oder unangemessen oder was auch immer bewerten, sondern einfach als Verschiedenheit akzeptieren. Den anderen als genauso okay betrachten, wie Du Dich selber siehst. Das alleine entspannt schon ungemein, weil Du keine Energie mehr dafür aufwenden musst, Dein Verhalten als richtig zu verteidigen und das andere als falsch zu etikettieren.

Verstehen, was passiert

Um jetzt noch ein bisschen tiefer in die Materie einzusteigen, tauchen wir kurz in die unangenehme Seite unserer Persönlichkeit – unser Stressverhalten – ab. Jeder von uns beginnt negative Verhaltensweisen zu zeigen, wenn er in Stress gerät. Es laufen dann automatische „Programme“ ab, der Mensch scheint wie hinter einer Maske zu verschwinden. Und sobald einer seine Maske aufgesetzt hat, folgt schnell der nächste.

Das negative Verhalten des einen fordert geradezu das negative Verhalten des anderen heraus. Und schnell ist dann an einen konstruktiven Austausch nicht mehr zu denken. Das Gute daran ist, dass diese negativen Verhaltensmuster vorhersagbar sind. Zuverlässig vorhersagbar! Und dass es Warnsignale gibt, bevor jemand seine Maske aufsetzt. Je besser Du diese Warnsignale erkennen kannst – und zwar sowohl bei Dir als auch bei anderen – umso größer sind Deine Möglichkeiten, dem Abstieg in den Stresskeller entgegen zu wirken.

Also nochmal zurück zum Anfang

Schauen wir uns das Besprechungsszenario nochmal von vorne an. Was für Warnsignale wurden hier gesendet (und übersehen oder ignoriert)?

Kollege L. stand offensichtlich schon von Beginn an unter Druck. Er benutzte komplizierte Worte, verschachtelte Sätze und erklärte alles bis ins kleinste Detail. Jemand, der gesagt hätte „Super Überblick über die relevanten Punkte! Danke dafür. Wie lautet Dein Fazit in einem Satz?“ hätte es vermutlich geschafft, den Redefluss zu stoppen und eine präzise Schlussfolgerung zu erhalten.

Denn Kollege L. hätte auf diese Art und Weise in seiner „Lieblingssprache“ Bestätigung für seine gute Leistung bekommen, was zu einer Entspannung geführt hätte. Engagiert hat sich stattdessen aber Kollegin B., die ebenfalls nicht mehr stressfrei war und ihre Warnsignale deutlich gezeigt hat. Sie hat mit komplizierten Fragen und kritischem Nachhaken dazu eingeladen, dass Kollege L. immer weiter unter Stress geriet.

Ein kurzes Darstellen der eigenen Meinung durch einen Moderator oder anderen Besprechungsteilnehmer sowie die Rückfrage, wie Kollegin B. das sieht, hätte ihr vermutlich geholfen, aus ihrem Stressverhalten auszusteigen. Denn sie wünscht sich Anerkennung für ihre Meinung und möchte, dass diese gehört wird.

Spätestens als Kollege M. sich zu Wort gemeldet hat, ist deutlich sichtbar geworden, dass die konstruktive Ebene schon längst verlassen wurde. Er macht unmissverständlich klar, dass er von dem „Gerede“ genug hat. Ein „Okay, mache einen Vorschlag, was als erstes zu tun ist!“ hätte ihn vielleicht noch wieder ins Boot zurückgeholt. Eine kurze Aufforderung, die ins Handeln geführt hätte, wäre seinem Bedürfnis nach Aktion entgegen gekommen und hätte seine „Lieblingssprache“ aufgegriffen. Es wäre eine Einladung gewesen, aus seinem Stressverhalten auszusteigen. So aber verließ er verärgert das Meeting.

Du siehst, es hätte an vielen Stellen die Möglichkeit gegeben, entstressend einzugreifen. Und darüber hinaus auch noch die anderen, eher unbeteiligt wirkenden Besprechungsteilnehmer aktiv in den Prozess mit einzubeziehen. Ein entsprechend geschulter Moderator oder entsprechendes Bewusstsein und Handeln bei den Teilnehmern hätte hier Wunder wirken können.

Kurz zusammengefasst

Das obige Besprechungsbeispiel ist nur eins von vielen. Alle Varianten und Faktoren in einem kurzen Artikel zu beschreiben ist ein Ding der Unmöglichkeit. Aber ich denke, das Beispiel reicht, um das zugrundeliegende Prinzip zur Erreichung eines stressfreien Umgangs mit anderen klar zu machen:

1. Maßnahme

Erhöhe Deine eigene Stress-Resistenz. Dazu ist es wichtig, das Du weißt, was Dir gut tut und woraus Du Energie gewinnen kannst. Und dass Du dies dann auch regelmäßig tust. Damit sorgst Du dafür, dass Deine Energiespeicher (Deine „Akkus“) immer gut gefüllt sind und Du sie in stressigen Situationen anzapfen kannst.

2. Maßnahme

Erkenne die Stress-Warnsignale (bei Dir und anderen). Je mehr Du über Dein Verhalten unter Stress weißt, desto leichter fällt es Dir, erste Anzeichen davon wahrzunehmen und rechtzeitig gegenzusteuern Gleiches gilt für das Erkennen dieser Signale bei anderen. Je sicherer Du im Identifizieren bist, desto einfacher ist es für Dich, entsprechend „entstressend“ darauf zu reagieren.

3. Maßnahme

Identifiziere das eigentliche Bedürfnis hinter negativem Verhalten und reagiere entsprechend. Das ist dann schon die hohe Kunst der stressfreien Kommunikation. Um andere einladen zu können, aus ihrem negativen Stressverhalten auszusteigen, darfst Du (noch) nicht in Deinem eigenen Muster verstrickt sein. Und um das zu schaffen, sind wir wieder bei der 1. Maßnahme: Sorge dafür, dass Deine „Akkus“ voll sind. Denn nur dann hast Du ausreichend Puffer, um gelassen zu bleiben, wenn andere in ihren Stress abtauchen.

botschaft

Mit den 3 Maßnahmen hast Du gute Chancen zu verhindern, dass folgende Negativ-Kette anläuft:
Deine „Akkus“ sind leer. –> Du kannst nur noch in Deiner „Muttersprache“ kommunizieren, die aber ggf. von anderen nicht gerne gesprochen wird. –> Erste Stress-Warnsignale bei Dir und/oder den anderen zeigen sich, werden aber nicht erkannt oder ignoriert. –> Negatives Stressverhalten tritt zutage. –> Gegenseitiges Aufschaukeln –> Die Kommunikation scheitert, Ziele werden nicht erreicht.

Stattdessen sorgst Du für folgende Positiv-Kette:
Deine „Akkus“ sind voll. –> Du machst flexibel Gebrauch von verschiedenen „Sprachen“. –> Auf evtl. auftretende Warnsignale reagierst Du rechtzeitig und passend. –> Die Kommunikation verläuft stressfrei und positiv. –> Deine Botschaft kommt beim Gegenüber an, Ziele werden erreicht.

Process Communication Model®

Woher sollst Du nun aber wissen, wann Du am besten mit wem wie redest? Welche Warnsignale es alles gibt? Welche Bedürfnisse eine Rolle spielen? Das Process Communication Model® kann hier wertvolle Unterstützung bieten. Über Verhaltensbeobachtungen können Rückschlüsse auf die „Blackbox Mensch“ gezogen werden, die dann wiederum zu einer Anpassung des eigenen (Kommunikations-)Verhaltens führen. Was schlussendlich dafür sorgt, dass Dein Gegenüber die Botschaft, die Du ihm vermitteln möchtest, auch wirklich verstehen kann. Weil Du „seine Sprache sprichst“!


Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Barbara Wanning.

barbara-wanning

Warum „flutschen“ manche Gespräche? Wieso fließen dort Ideen, können Absprachen ganz einfach getroffen werden? Und warum fühle ich mich nach anderen Begegnungen völlig ausgelaugt und habe das Gefühl, der andere hat überhaupt nicht verstanden, was ich ihm sagen wollte? Warum endet das Ganze im schlimmsten Fall in einem unproduktiven Streit? Diese Fragen haben mich schon seit jeher beschäftigt. Darüber wollte ich mehr wissen. Wollte lernen, wie man es schaffen kann, Gespräche zu führen, die auf einer positiven Ebene bleiben und ein konstruktives Ergebnis ermöglichen.

Und so habe ich in diversen (kommunikations-)psychologischen Ausbildungen viel über die Zusammenhänge im menschlichen Miteinander erfahren, die ich jetzt gerne an meine Klienten weitergebe. Besonders begeistert hat mich hierbei das Process Communication Model®, das ich schwerpunktmäßig in meinen Kommunikationstrainings verwende. PCM hat die Beziehung zu meinem Mann, Freunden und all meinen Geschäftskontakten auf eine ganz andere Ebene gehoben! Entdecke auch Du die Welt des stressfreien Kommunizierens. Für Botschaften, die ankommen! Ich begleite Dich gerne dabei.

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