Unser Lebensumfeld ist geprägt von Leistung, zunehmender Schnelligkeit und kontinuierlichem, immer schneller statt findendem Wandel. Wir Menschen sind von unserer Natur aus – bislang – weder an das Tempo der Veränderungen noch an die auf uns einströmende Reiz- und Informationsflut angepasst. Die Folge sind häufig körperliche oder psychische Beschwerden, das Gefühl von Überforderung und der Entfremdung von uns selber. Wir fühlen uns oft als „Getriebene“ und verlieren das gute Gefühl, selbstbestimmt und frei unseren Alltag zu gestalten. Diesen Zustand empfinden wir zumeist als „Stress“ und als unangenehm.
Was uns in diesem Zustand oft fehlt, ist Klarheit darüber, was wirklich wichtig ist zu tun. Und dann die Aufmerksamkeit ganz bei einer Sache zu halten. Diese Fähigkeiten werden mehr und mehr zu Schlüsselkompetenzen für erfolgreiche Arbeit und ganzheitliches, nachhaltiges Wohlbefinden. Wir gehen dabei effektiv mit unseren Ressourcen um und setzen sie für die Ziele ein, die uns wirklich wichtig sind und die uns weiter bringen.
Klarheit, Ruhe und Gelassenheit
Diese Klarheit zu entwickeln erfordert unsere ständigen und unkontrollierten Gedanken zur Ruhe zu bringen. Erst in dieser dynamischen Ruhe kann sich zeigen, was wirklich wichtig und richtig für uns ist – nicht nur aus dem Verstand heraus, sondern aus der Tiefe unseres Seins, unseres Herzens. Wir „wissen“ dann einfach die Antworten und können entsprechend selbstbestimmt danach Handeln.
Das ist der Ansatzpunkt des Yoga. Patanjali definiert Yoga in seinem Grundlagenwerk des klassischen Yoga, den Yoga Sutren als „den Zustand, in dem die Bewegungen des Geistes in eine dynamische Stille übergehen.“ (Yoga Sutra 1.2.). Und weiter „In diesem Zustand ruht das Selbst in sich und Klarheit, Ruhe und Gelassenheit stellt sich ein.“ (Yoga Sutra 1.3). Klarheit, Ruhe und Gelassenheit – die wesentlichen Qualitäten für unser Wohlbefinden!
Doch der Zustand des Yoga ist etwas, um das wir uns immer wieder von Neuem bemühen müssen. Denn unser Geist ist aktiv und rege, er wird von innen (durch Überzeugungen, Glaubenssätze, Werte, Erfahrungen und Erinnerungen) und von außen (durch Sinneseindrücke, Erlebnisse, Informationen und Meinungen anderer) „gefüttert“ und ist somit ständig in Bewegung.
Wie schaffen wir es nun Klarheit in unseren Geist zu bekommen und innere Ruhe zu finden? Aus ganzheitlicher Sicht stehen uns (im Ayurveda und Yoga) eine ganze Bandbreite an Ansatzpunkten und Stellschrauben zur Verfügung:
Körper und Bewegung, mentale Verfassung, Lebensstil und Alltagsroutine, Energiehaushalt und Ernährung. Die einzelnen Säulen greifen ineinander und beeinflussen sich gegenseitig.
Daher lohnt es sich, alle zusammen zu betrachten, um nachhaltig zufrieden, gesund und ausgeglichen zu leben. Und vor allem das zu leben, was man kann, liebt und ist.
Grundannahme: Die individuelle Konstitution
Jeder Mensch hat sein eigenes individuelles Gleichgewicht – seine Grundkonstitution. Ist er diesem Zustand sehr nahe, fühlt er sich wohl, ausgeglichen, kräftig und voller Energie und Lebensfreude. Durch äußere – oder innere – Einflüsse entfernen wir uns jedoch oft von unserem ursprünglichen Gleichgewicht.
Dann fühlen wir uns unwohl, „funktionieren“ nur noch, entwickeln Befindlichkeitsstörungen oder werden krank. Meine Arbeit zielt darauf ab, den Zustand des individuellen Gleichgewichts wiederherzustellen und die mit dem Ungleichgewicht verbundenen Beschwerden aufzulösen. Somit erreichen Sie eine tief gehende Entwicklung hin zu mehr Wohlbefinden und Lebensqualität.
Tipps für mehr Klarheit im Alltag
Momente der Ruhe
Damit Klarheit entstehen kann, braucht es Stille. Gönne Dir daher mehrmals am Tag kleine Auszeiten, um aus dem Hamsterrad des Alltagstrubels kurz auszusteigen. Dadurch gewinnst Du wieder „Boden unter den Füßen„, kommst in Kontakt mit Dir selber und kannst wieder klar sehen, was wirklich wesentlich ist zu tun. Wie lange? 5 bis 15 Minuten solltest Du Dir dafür nehmen – vielleicht mit einer genüsslichen Tasse Tee oder Kaffee, einem kurzen Spaziergang an der frischen Luft oder einfach nur den Blick in die Ferne schweifen lassen.
Du solltest nur dabei bei Dir selber ankommen, Dich selber spüren, nach innen lauschen und zur Ruhe kommen. Zudem belegt die Gehirnforschung, dass wir maximal 90 Minuten am Stück konzentriert arbeiten können. Dann brauchen wir eine kreative Pause von 2 bis 10 Minuten – sonst nimmt unsere Leistungsfähigkeit rapide ab!
Bewusst Essen
Nimm doch Deine Mahlzeiten gleich als Ansatzpunkt für mehr Klarheit! Körper und Geist stehen ja bekanntermaßen im steten Wechsel und beeinflussen sich gegenseitig. Klarheit im Geist wird durch bewusstes, achtsames und einfaches Essen gefördert. Bewusst und achtsam betrifft dabei zum einen die Auswahl der Lebensmittel und Speisen und zum anderen das Essen an sich. Einfach heißt, wie Michael Pollan in seinen wunderbaren Büchern auf den Punkt bringt: „Essen Sie nichts, was Ihre Großmutter nicht als Essen erkannt hätte.“
Das bedeutet Gerichte und Zutaten ohne künstliche Zusatzstoffe, Geschmacksverstärker und soweit wie möglich aus regionalen biologischen Anbau, um Pestizide und andere unnatürlichen Stoffe zu minimieren. Wenn Du selber kochst, verwende lieber weniger und dafür qualitativ sehr gute Zutaten. Wie zum Beispiel eine Pasta mit frischen Tomaten, Basilikum und gutem Olivenöl. Und wenn Du auswärts isst, gibt es zum Glück mittlerweile viele Möglichkeiten, regionale und biologisch zu essen.
Nutze Deinen Atem
Dein Atem steht Dir immer und überall zur Verfügung. Er ist das Bindeglied zwischen Körper und Geist. Wenn Du unter Stress stehst, kannst Du beobachten, dass Dein Atem in der Regel kurz, flach, unruhig und hektisch wird. Nicht umsonst sagt der Volksmund „Erst einmal tief durchatmen“. Durch das Verlangsamen und aktive Beruhigen Deines Atems beeinflusst Du automatisch Dein Zentralnervensystem, genauer das Parasympatische System, welches für den körperlichen Zustand der Entspannung zuständig ist.
Lass den Atem dazu ruhig und gleichmäßig fließen und beobachte, wie sich mit dem Einatmen Dein Bauch nach vorne wölbt und mit dem Ausatmen wieder zurück nach innen sinkt. Versuche dabei – ohne Anstrengung – nach und nach den Ausatmen etwas länger als die Einatmung werden zu lassen – dies baut zudem Stress ab. Nach einigen Minuten des Übens wirst Du merken, wie sich auch Dein Geist beruhigt und die Gedanken zur Ruhe kommen!
Alleine die tiefe Bauchatmung und das Verlängern der Ausatmung sind wirksame Methoden, um Unruhe und Stresshormone abzubauen und den Geist zu beruhigen – Klarheit kann sich einstellen. Ein einfacher Ansatzpunkt ohne Nebenwirkungen! Lege am besten mehrmals täglich für 5 Minuten eine „Atem-Pause“ ein. Die regelmäßige Übung bewirkt, dass Körper und Geist zunehmend schneller in den Entspannungsmodus umschalten können. Auf Dauer führt das zu einem niedrigeren Erregungs- und damit Stresslevel und eine natürliche Gelassenheit macht sich breit!
„Wenn ein ruhiger Geist gedeihen soll, musst Du zuerst die Atmung regeln… Dann wird das Temperament sanft und der Geist ruhig.“
Kariba Ekken – Mystiker im 17. JH
Dieser Artikel ist ein Gastbeitrag von Stefanie Wölfl
Psychologische Beraterin, Yoga-Lehrerin (BDY, Europäische Akademie für Ayurveda), Ayurveda- Spezialistin, Dipl.-Geografin (Univ.), Tätigkeit als Referentin, Seminarleiterin und Coach im Bereich Potenzialentwicklung und ganzheitliche Gesundheit für Unternehmen und in eigener Praxis
Seit ich denken kann interessiere ich mich für die Themen Gesundheit, Bewegung, Entspannung und unsere menschliche Psyche. Die Verbindung von Körper, Psyche, Selbst und die Möglichkeiten, diese Einheit durch Yoga und Ayurveda zu beeinflussen, fasziniert mich jeden Tag aufs Neue! So ist Yoga ist für mich zur Lebensphilosophie und zum roten Faden meines Lebens geworden.